Het leven in een stralingsgat.
vrijdag, 29 augustus 2008 - Categorie: Verhalen
Volgens een interne studie van het Bundesamt für Strahlungschutz zijn in Duitsland naar schatting 25000 (!) mensen die overgevoelig zijn geworden voor electromagnetische velden voortdurend op de vlucht om de straling van mobiele telefonie te ontgaan.
Een van hen is Suzanne Rohmer........
Bron: Berliner Zeitung 22 augustus 2008
Leben im Funkloch
Marcus Lauer
OBERAMMERGAU. Die letzten Häuser bleiben zurück, Wiesen breiten sich aus, Wald, dann wieder Wiesen. Der Handyempfang wird schwächer. Für Suzanne Rohmer ist das der Weg ins Glück. Das Glück ist für sie ein Stück Erde in der Nähe von Oberammergau in Bayern. Acht Kilometer lang ist es und drei Kilometer breit. Es gibt einen Bach, Kühe und Pferde. Menschen leben hier nicht. Das ist für die Frau wichtig. Denn die tragen höchstwahrscheinlich ein Handy bei sich.
Suzanne Sohmer gehört zur Gruppe der Elektrosensiblen. Etwa sechs Prozent der deutschen Bevölkerung reagieren mit starken körperlichen Symptomen, wenn sie hochfrequenter Strahlung ausgesetzt sind. Jener für den Empfang von Digitalfernsehen zum Beispiel oder für Navigationsgeräte - vor allem aber für Mobilfunk.
Kommt jemand mit einem eingeschalteten Handy Suzanne Sohmer zu nahe, wird es kritisch. Dann wird ihr schwindlig, der Blutdruck schießt auf 200 zu 110, sie sieht alles wie volltrunken, und in den Ohren rauscht es, als stünde sie neben den Niagara-Fällen. ''Glücklicherweise habe ich hier einen kleinen Ort gefunden, an dem ich immer ganz alleine bin'', sagt sie, ''auch an den Wochenenden.'' Sie lebt in einem Funkloch.
In Deutschland werden solche Funklöcher immer seltener. Die Netzabdeckung der Mobilfunkanbieter liegt laut Bundesamt für Strahlenschutz mittlerweile bei 99,1 Prozent. Damit ist die Fläche aller Funklöcher zusammengenommen nur noch wenig größer als das Saarland.
Doch auch die letzten Lücken im engmaschigen Funknetz wollen die Mobilfunkbetreiber in den nächsten Jahren schließen. Tiefe Täler sollen dafür mit Mobilfunkmasten erschlossen werden. Oder entlegene Landstriche wie jener, in dem Suzanne Sohmer lebt, und dessen genaue Lage sie nicht beschrieben haben möchte. Seit über zwei Jahren lebt die 49-Jährige in einem Wohnmobil. Im Mai dieses Jahres kam sie hierher, zuvor war sie schon an zwei anderen Plätzen. Die dann verseucht worden seien, sagt Suzanne Sohmer.
Nach einer internen Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz sind mittlerweile etwa 25 000 Elektrosensible wie sie quer durch die Republik unterwegs. Auf der Suche nach Funklöchern. Auf der Flucht vor dem technischen Fortschritt. Suzanne Sohmer zählt sich zu seinen Verlierern. Sie ist Mitglied in einer von Hunderten Bürgerinitiativen in Deutschland, die sich dem Kampf gegen den so genannten Elektrosmog verschrieben haben.
Jene in Oberammergau ist bundesweit eine der bekanntesten. Die Leiden der Opfer von Mobilfunkstrahlung seien wenig offensichtlich, sagt Werner Funk, der die Bürgerinitiative ''Strahlenfreier Ammergau'' gegründet hat. Funk ist ein ehemaliger Geschäftskollege Suzanne Sohmers, bis vor vier Jahren haben die beiden noch zusammen beim Wetterdienst gearbeitet.
''Man riecht nichts von der Strahlung und schmeckt auch nichts'', sagt Funk. Weil es kein Sinnesorgan für Strahlung gebe. Aber es sei sicher, dass die Symptome der Betroffenen auf die Handystrahlung zurückzuführen sind. Viele Ärzte hätten ihm das schon bestätigt. Allerdings ist die Zahl der Mediziner, die diesen Zusammenhang anerkennen würden, relativ klein.
Hundertzwanzig Kilometer entfernt von Oberammergau, im kleinen Zorneding bei München, sitzt Birgit Stöcker am Tisch ihres Reihenhauses und sagt: ''Ich bin sensibler als ein Messgerät.'' Das steht bei der blassen 63-Jährigen immer auf dem Tisch. Für den Besucher schaltet sie das Breitbandmessgerät Modell ''Lambda Fox'' ein. Ein lautes Rauschen ist zu hören, das übergeht in ein stakkatoartiges Knacken in hoher Tonlage. ''Hören Sie das?'', fragt sie. ''Das ist vom Handy nebenan. ''Da wird gerade telefoniert.'' Sie schaltet das Gerät wieder ab und seufzt. Die kurzen, stetigen Impulse wirkten bei ihr wie ein Hackbeil, das in ihr Hirn schlägt.
''Wir Elektrosensiblen haben das Glück, dass wir die Strahlung wenigstens noch spüren'', sagt Birgit Stöcker und versucht ein Lächeln. ''Die es nicht spüren, also die Mehrheit, sind doch die armen Schweine.'' Sie hat ein Buch mit dem Titel ''Elektrosmog - eine reale Gefahr'' geschrieben und ist Vorsitzende des Bundesverbandes ''Elektrosmog e.V''.
Die elektrosensible Minderheit werde oft nicht ernst genommen, sagt Birgit Stöcker. Tatsächlich werden sie von vielen für Hypochonder gehalten, von Esoterikern ist die Rede, manche sprechen einfach von Spinnern. Es gibt bis heute keine öffentlich anerkannte Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen der elektromagnetischen Strahlung der Handys und schweren körperlichen Beschwerden oder gar Krebs und Gehirntumoren herstellt. Die jüngste wurde im Juni dieses Jahres in Berlin vorgestellt.
Sechs Jahre lang hatte man geforscht, gemessen und getestet. Das Ergebnis verkündete Sigmar Gabriel dann auf der Bundespressekonferenz: ''Dieses breit angelegte Forschungsprogramm hat bestehende Befürchtungen zu möglichen Gesundheitsgefahren des Mobilfunks, die es in Teilen der Bevölkerung gibt, nicht bestätigt.'' Aber auch künftig wolle man im Bundesumweltministerium für die Forschung über die Wirkungen der elektromagnetischen Felder moderner Kommunikationstechniken jährlich 500 000 Euro zur Verfügung stellen.
Birgit Stöcker hat ihre Erklärung für die für sie unbefriedigenden Ergebnisse der Studien. Die meisten seien mitfinanziert oder zumindest gesponsert von den großen Mobilfunkbetreibern, sagt sie. Laut Bundesamt für Strahlenschutz würden die Kosten dafür immer hälftig aufgeteilt zwischen Bundesregierung und den Betreiberfirmen.
Seit 13 Jahren kämpft Birgit Stöcker ihren Kampf gegen die neuen Techniken. Gegen die Wirtschaft, die Politik, aber auch gegen die Gedankenlosigkeit der Nutzer. In zwanzig Jahren, fürchtet Stöcker, werde die Elektrosensibilität Volkskrankheit Nummer eins sein.
Ihre ganz persönliche Schutzmaßnahme ist der Rückzug. Zum Einkaufen geht sie so selten wie möglich. Ihr Reihenhaus bewohnt sie nur noch im Keller. Zu sehr dringe die Strahlung von den Nachbarn links und rechts in Wohn- und Schlafzimmer. Der Rasen in ihrem Garten steht kniehoch. Besucher werden durch einen kleinen Aufkleber auf der Haustür gewarnt, auf dem ein rot durchgestrichenes Handy zu sehen ist. ''Ein schöner Zustand ist das nicht,'' sagt sie, ''aber was soll ich machen?'' Sie könne nur weiterkämpfen gegen neue Funkmasten und ihre Idee vorantreiben, funkfreie Reservate für jedes Bundesland durchzusetzen.
Auch im Refugium von Suzanne Sohmer steht das Messgerät ''Lambda Fox'' immer griffbereit. Es ist so etwas wie das Erkennungszeichen der Elektrosensiblen. In den ersten Tagen war Suzanne Sohmer damit unterwegs, um die Grenzen ihres neuen Lebensraums auszuloten.
Viele ihrer Bekannten haben sich von ihr abgewendet, seit sie dieses Leben führt. Die Behörden berufen sich auf Studien wie die vom Juni dieses Jahres, sie raten der Frau, ihre Leiden am besten von einem Neurologen oder noch besser dem Psychiater behandeln zu lassen. Solange Suzanne Sohmer deren Hilfe nicht sucht, hätte sie auch keinen Anspruch auf Frühverrentung.
Suzanne Sohmer lehnt diese Art von Behandlung ab. ''Das ist ja, als würde ich ein kaputtes Auto zum Bäcker bringen wollen'', sagt sie, und ihre leise, verhuschte Stimme wird zum ersten Mal etwas lauter. Elektrosensibilität, dabei bleibt sie trotz aller Studien, sei eine körperliche Krankheit. Die viele Ärzte nur deshalb ignorierten, weil sie bei Mobilfunkbetreibern Fortbildungskurse machen.
Nicht so Gerd Oberfeld. Der renommierte Umweltmediziner aus Salzburg hat in diversen Versuchen festgestellt, dass elektromagnetische Felder zu einer erhöhten Bildung freier Radikaler führen. Dadurch würden gesunde Zellen angegriffen, was zu Tumoren führen könne. Außerdem, sagt der 48-Jährige, sei nachgewiesen, dass erhöhte Mobilfunkstrahlung zu einer verminderten Produktion des Stoffes Serotonin führen würde, gemeinhin bekannt als ''Glückshormon''. Wenig Serotonin fördert in der Folge Depressionen und dauernde Müdigkeit. ''In Deutschland will das bloß keiner wahrhaben'', sagt er. In Schweden zum Beispiel sei die Elektrosensibilität offiziell anerkannt. ''Elektrosensible bekommen dort einen Behindertenausweis und eine Berufsunfähigkeitsrente.''
Davon ist Suzanne Sohmer noch weit entfernt. So lebt sie hier, abgeschottet von der Außenwelt, in ihrer eigenen Welt. Es ist ein ruhiges Leben in friedlicher Natur. Um acht steht sie auf, schreibt an ihrem Roman, in dem sie sich und ihre Geschichte nur als ''Randfigur'' neben einer heldenhaften Protagonistin einflechten möchte. Sammelt Pilze, streift durch den Wald. Kommuniziert auf altem Wege, per Brief, mit ihren Mitstreitern in der ganzen Bundesrepublik. Darüber, wie ein aktueller Gerichtsstreit über einen neuen Funkmast ausgegangen ist, ob jemand neue Funklöcher entdeckt hat oder bestehende verschwunden sind.
Alle paar Wochen schneidet sie sich selbst die Haare, weil sie ''jeden unnötigen Gang in den verseuchten Ort'' vermeiden will. Ohne den Strahlenanzug, ''an dem immerhin neunzig Prozent des Elektrosmogs abprallen'', könnte sie den Weg hinein nach Oberammergau, meist zu ihrem Arzt, überhaupt nicht bewältigen.
Der Strahlenanzug ist ein blauer Overall in Übergröße, in dem die zierliche Frau verschwindet. Ein ausgemustertes Modell, ursprünglich einmal für die Mobilfunk-Techniker der Telekom entwickelt. Vorne ist ein ''HF-Protection'' aufgestickt, HF für High Frequency. Wenn sie damit durch die Gassen von Oberammergau geht, halten sie einige im Ort für eine Imkerin. Und die meisten für eine Verrückte.
Alle zwei Wochen geht sie in einem Landgasthof in der Nähe essen. Im Sommer kann sie draußen sitzen, und im Winter bekommt sie einen separaten Raum. Beim Essen muss sie das engmaschig vergitterte Visier abnehmen, das sonst vor ihrem Gesicht hängt. Mittlerweile hat sie sich damit arrangiert.
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Einer Studie zufolge sind mittlerweile etwa 25 000 Elektro- sensible quer durch die Republik unterwegs.
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Het origineel vindt u op: www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0822/seite3/0001/index.html .
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